Gewebte
Bänder von und bei Anneliese Bläse
Wer war dieser Fritz Breidbach?
So lautete eine Anfrage , die mich per e-mail erreichte. Da hatte einer bei den Postkarten das Webersprüchlein entdeckt
und war berührt von der Frömmigkeit, die daraus sprach. Davon
will ich hier gern mehr erzählen, denn es ist eine Webergeschichte
und gehört zu meinem Thema. Auch ich war immer tief berührt,
wenn ich bei den Verwandten meiner Schwiegermutter dieses besondere
Gottvertrauen erlebte, welches in der ganzen Familie
selbstverständlich war.
Nur 6 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt fließt die kleine
Düssel, welche dem großen Düsseldorf den Namen gegeben
hat, durch das liebliche Neandertal.
Hier wurden nicht nur die Urmenschen in den längst verschwundenen
Höhlen gefunden, hier ist ein stiller Platz, wo man gut meditieren
und nachsinnen kann.
Joachim Neander, geboren 1650 in Bremen, ist oft dort spazieren gegangen sein und hat unter vielen anderen hier das
Lied >> Lobe den Herren, den mächtigen König der
Ehren<< gedichtet. Er war um 1674 Rektor an der Lateinschule der
reformierten Gemeinde in Düsseldorf. Das Tal wurde nach ihm
benannt, längst ehe die >>Neandertaler<< gefunden
wurden. 1680 starb er als Prediger in Bremen. Seine Lieder waren etwas
bahnbrechend Neues in den reformierten und lutherischen
Gesangbüchern. Er wurde wegen seiner separatistischer
Erbauungsversammlungen verwarnt. (Steht im ev. Gesangbuch)
Die Lieder und Predigten, auch von anderen "Erweckten", haben so viel
bewirkt, dass es zumindest im 20. Jahrhundert noch lebendig war.
In diesem frommen Umfeld lebte auch der Weber Fritz Breidbach.
Ganz kurz gesagt, er war der Großvater mütterlichseits meines Mannes,
und der älteste Sohn des Webermeisters Johann Wilhelm Breidbach
und seiner Ehefrau Johanne Wilhelmine - er steht auf dem Bild unten ganz links.

Das Ehepaar Johann und Johanne Breidbach wohnte mit 6 Kindern in einem kleinen Haus im Ortsteil Gruiten der Stadt Haan bei Düsseldorf.
Sie hatten 4 Söhne und 2 Töchter. Der Vater war nicht der
erste Weber in der Familie und alle ihre Kinder mussten auch Weber
lernen.
Das Bild oben muss um 1885 aufgenommen worden sein. Man ging damals zum
Photographen, wahrscheinlich nach Düsseldorf, bei dem es einen
Raum mit dem entsprechenden Ambiente gab, - gemalter Hintergrund,
geschnitzte Möbel und einige große Topfpflanzen. Alle tragen
ihre feinste Staatskleidung: die Damen bodenlange schwarze
Seidenkleider, die Herren schwarze Anzüge und Kravatten. Die
Mutter hält ein Buch (die Bibel?) im Schoß.
Alle schauen
sehr ernst und voller Würde in die Linse - - - genau wie hunderte oder
tausende weiterer Familien in Deutschland zu jener Zeit(!).
Dass der Weber Johann Wilhelm sich mit seiner Familie photographieren ließ, war ein Zeichen, dass er ein moderner, fortgeschrittener Mann war.
Später belieferte sein ältester Sohn, der Webermeister
Fritz Breidbach, eine ganz
besondere Kundschaft. Er webte die Damastseide für die
weißen Westen der Mitglieder des englischen Oberhauses. Seide
konnte man damals nicht waschen. War eine weiße Weste nicht mehr
weiß, mußte eine Neue angeschafft werden, nicht zum Schaden
des Webers. So gerieten die weißen Westen sogar ins Sprichwort.
Die beiden Brüder Fritz und August bauten sich gemeinsam ein Doppelhaus, bei dem im Dachgeschoss die Zwischenwand weggelassen wurde, so dass sie endlich einen großen Raum hatten, den sie beide nützten,
um ihre Ketten zu schären, endlich war der Platzmangel
vorüber. Dieses Haus steht in der Gartenstraße in Gruiten.
Fritz Breidbach meinte, es gäbe keinen schöneren Beruf, als
den auf dem Webstuhl, auch wenn es manchmal knapp zuging. Für die
Seidenweberei musste einer schon ein feines Händchen
haben. Meine Schwiegermutter Maria, Fritzens Tochter, erzählte mir
gern von ihrem Vater. Er war ein feiner, stiller, sensibler Mann, bei
der
Arbeit sehr genau und pingelig, jedoch brachte er Kritik immer behutsam zum Ausdruck. Maria durfte bei ihren Handarbeiten,
beim Nähen und Flicken, nie pfuschen. Immer hat er sie freundlich,
aber bestimmt zurecht gewiesen, wenn sie ihm nicht ordentlich genug
arbeitete. Deshalb lernte sie sehr gut Nähen und sogar das feine
Kunststopfen, "so, dass man es nicht sah". Aber er nahm sie auch
öfter gegen die viel strengere Mutter in Schutz, und er hat
es schließlich geduldet, dass sie sich als junges Mädchen
eine Gitarre anschaffte und zu spielen lernte, obwohl er nichts von den
Wandervögeln hielt, die solche Sitten aufgebracht hatten.
Mit ihrer Mutter arbeitete Maria viel im Garten, wo vorwiegend
Gemüse angebaut wurde, so wurde sie auch in ihrer Ehe später
eine fleißige Gärtnerin.
Maria hatte noch zwei Brüder. Aber Weber wurde keiner mehr. Nach
dem 1. Weltkrieg war es damit vorbei. Fritz junior wurde Beamter in der
Gemeindeverwaltung, und Ernst machte aus dem Gärtchen eine
schöne Gärtnerei und pflegte und gestaltete auch den Friedhof
in Gruiten. Seine Tochter Margret führte lange Jahre die
Blumenhalle in Gruiten.
Fritzens Teil
des alten Doppelhauses ist heute bewohnt von seinen Enkeln, Kinder
von Ernst, dem Gärtner, dem Gärtner Ernst-Jürgen und
Gunthild, einer Organistin, beide inzwischen Rentner. Und da sind wir
wieder bei der Musik. Wenn die Familie Breidbach zusammen kam, wurde
gesungen. Es gibt sogar ein Familienlied, ein weithin sonst unbekanntes
Kirchenlied, das ähnlich wie das Webstuhllied oben, ein Ausdruck
der pietistischen Frömmigkeit ist, auf welche sich die
Familientradition der Breidbachs gründet. Gunthild, die
Organistin, begleitete den Gesang auf dem Klavier. Wenn Besuch da war,
wie wir zum Beispiel, gab sie gern ein Wunschkonzert, und alle
sangen mit. Zum Schluss sangen wir immer das Familienlied. Gäste bekamen Textblätter. Damit wurde jedes Treffen beendet.
Fritz Breidbach in seinem Webstuhl