Gewebte Bänder von und bei Anneliese Bläse
Schussband

III. Der Hochwebstuhl mit Kettgewichten
Hochwebstuhl aus NorwegenGriechisches Vasenbild
Spinnwirtel und Webgewichte wurden im 10 000-jährigen Schutt der Stadt Jericho gefunden, sie sind Zeugen des hohen Alters der Webekunst. Sie ist in der Jungsteinzeit entstanden, als die wandernden Jägerstämme anfingen sesshaft zu werden, und als Ackerbau und Haustierhaltung sich zu entwickeln begannen.

rechts: Griechisches Vasenbild,
6. Jahrhundert v. Chr.

links: Hochwebstuhl aus Norwegen,
19. Jahrhundert n. Chr.




Bandwebstuhl mit Steingewicht
Die Gewichte,
mit denen die Kettfäden am Hochwebstuhl straff gehalten werden, sind auch heute noch sehr praktisch, weil sie den Archäologen verraten, dass 
die Schicht, in der sie gefunden werden, von einer Kultur stammt, in der bereits gewebt wurde, und weil sie durch ihr Aussehen gleichzeitig etwas über
ihr Alter aussagen. 
Die ersten Gewichte waren wohl Lochsteine, so wie wir sie hier am Ostseestrand finden, und auch auf dem Bild oben links. Später wurden sie aus Ton gebrannt, hatten alle das gleiche Gewicht und die gleiche Form. Grundsätzlich gab es aber für diese Gewichte ganz verschiedene Formen. Manche sahen aus wie Eieruhren und man konnte leicht den Garnvorrat darauf wickeln, bis zu 5 m sagt man. Andere waren ringförmig, der Garnvorrathing zu einem kleinen dicken Zopf geschlungen seitlich neben dem Gewicht. So war es auch bei den Steingewichten, die ich in Norwegen sah: Sie waren aus Granit rautenförmig zurechtgeschlagen, mit dem Loch in der Mitte erinnern sie an einen Hammerkopf.
Ein solches hängt im Eidsborgmuseum in Telemark als Gewicht auch an einem kleinen Bandwebstuhl. Denn man kann auch zum Bandweben die Spannung der Kette mit einem Gewicht herstellen.

Der Webstuhl hat seinen Namen von der kleinen Sitzbank für den Weber.
Der Hochwebstuhl ist eigentlich kein Webstuhl, denn er hat keine Bank. Die Leute arbeiteten im Stehen.
Professor Schlabow, früher Textilmuseum Neumünster, hat das zwar etwas wissenschaftlicher ausgedrückt, aber ich bin kein ja Professor und sage es mal einfach so.

In einer der 2-3 Eddas gibt es das schaurig-schöne Walkürenlied von den schottischen Zauberinnen, welche das Schicksal der Wikinger am Hochwebstuhl weben: Wenn das Nordlicht blutrot über den Himmel flackert, sieht man sie dort arbeiten - mit glühenden Speeren weben sie Menschendärme, und als Kettgewichte verwenden sie Totenschädel. So prophezeien sie Krieg, Blutvergießen und Tod. Huh!

Lasst uns lieber zur friedlichen Bandweberei zurückkehren:Um eine Garnkette aufSchema für die Kette den Hochwebstuhl aufzuziehen, webte man zuerst ein schmales aber festes Band, bei dem alle Schussfäden an einer Seite lang, alle gleich lang, herausgezogen wurden. Siehe Schema hier  links:Schärbock aus Lappland


SCHÄRBOCK aus Norwegis
ch Lappland,
 jetzt im Textilmuseum Neumünster,
Hier mit einem Kammband
                                                                  


Schärbock aus Schweden

SCHÄRBOCK aus Schweden
Hier wird ein Brettchenband gewebt



Das Anfangsband wurde mit dem Kamm oder mit Brettchen gewebt, beides kam vor. Außerdem gab es noch eine Methode, die Anfangskante zu flechten. Das war regional verschieden.

Solange der Hochwebstuhl in den Haushalten stand, war das Bandweben eine selbstverständliche Verrichtung, die alle kannten. Und als er schon längst bei uns verschwunden war, und die mechanischen Bandmühlen bereits begannen, den Markt zu erobern, kam in Schleswig-Holstein immer noch der Bauchladenmann auf die Dörfer und verkaufte "Sidenband un Wevkanten", das maschinelle (Kunst)Seidenband und die traditionellen Webkantenbänder aus Baumwolle und Wolle.

Die Webkante wurde am Tuchbaum oder Warenbaum, dem oberen Querbalken des Webstuhles fest angenäht, so dass die langen Kettfäden schön gleichmäßig senkrecht herunter hingen. Gruppenweise wurden sie mit den Gewichten beschwert. Das Webstück konnte viel länger werden, als der Webstuhl hoch war, man hatte ja unten den aufgewickelten Garnvorrat. Oben am Warenbaum war eine Kurbelwelle mit Stopper angebracht, deutlich zu sehen auf dem griechischen Vasenbild oben rechts. Hatte man ein Stück fertig gewebt, wurde es hier aufgewickelt, weshalb der obere Querbalken auch Warenbaum genannt wird.

Man erkennt bei vielen Webstücken an den sich in der Mitte kreuzenden Schussfäden, dass sie von zwei Leuten im Team hergestellt worden sind, die mit ihren Spulen (Schiffchen) jeweils von beiden Seiten aufeinander zu gingen, dort die Fäden kreuzten und wieder zurück zu ihrem Anfang wanderten,- oder auch weiter gingen bis zum anderen Ende. Das ist ein bisschen unklar ausgedrückt beim Herrn Professor Schlabow. Aber aus meiner schwedischen Beschreibung lese ich die erste Version heraus, vielleicht kommt ja beides vor. Jedenfalls sollen die beiden dabei auch gesungen haben, was ich mir sehr gut vorstellen kann.

Auf dem griechischen Vasenbild oben sind die Weberinnen übrigens nicht im Takt, die eine ist gerade mit Anschlagen beschäftigt, während die andere ihr die Spule unter die Nase hält. So ging es bestimmt nicht. Sicher wollte der Maler zwei verschiedene Vorgänge gleichzeitig auf einem Bild darstellen.

Dieser Webstuhl war zwar nicht geeignet für das, was wir heute unter Meterware verstehen, aber man konnte durchaus einen ganzen Satz von 12 Handtüchern, natürlich aus Leinen, auf einmal darauf weben. Ja, die Alten konnten das. Sie konnten auch so fein und fest spinnen, dass man sowohl feste Bänder als auch feine Tücher mit dem Garn herstellen konnte. Für Archäologen, die gerne Rekonstruktionen ihrer Fundstücke machen lassen würden, ist es heute fast unmöglich, Leute zu finden, die das Spinnen mit der Hand so gut verstehen, wie die Menschen damals.

Zu Anfang war das Ziel der Weber offensichtlich, Tierfelle nachzumachen, die man als Kleidung gewöhnt war. So gibt es Funde von Mänteln und Mützen, bei denen nachträglich  einzelne kurze Fäden oder Fadenbündel in das fertige Gewebe eingeknüpft worden sind, die als Zotteln herunterhingen. Man machte sich viel Mühe damit, bei einem Mantel zählten Forscher an die 20 000 Zotteln.
In der Bronzezeit hatte man entdeckt, dass die auf dem Hochwebstuhl gewebten wollenen Tuche dichter und wärmer wurden, wenn sie anschließend gewalkt wurden. In  mit Wasser angetriebenen Stampfmühlen wurden die Wollstoffe gewalkt.
Zu Beginn der Eisenzeit jedoch hatten die Menschen die Stärken des Webens als etwas Eigenständiges entdeckt, feine und feinste Gewebe entstanden, nachgemachte Tierfelle waren nicht mehr das Ziel. Das Weben als solches wurde zu einer hohen Kunst entwickelt, so dass man nur staunen kann.

Leider kann man aus den Moorfunden nicht alles ablesen, was gewebt wurde, denn nur die tierischen Wollfasern sind erhalten geblieben. Pflanzenfasern, wie Lein oder Hanf, sind in der Moorsäure verrottet, spurlos verschwunden - und damit nicht belegt, Spekulationen darüber sind als unwissenschaftlich tabu.
Bei dem berühmten Thorsbergfund aus der Eisenzeit um 300 n.Chr., der 1859 in Angeln aus einem Moor geborgen wurde, befand sich zum Beispiel eine wollene Männerhose, die hatte einen Bund aus einem schlauchförmig gewebten Brettchenband. Wozu schlauchförmig? Hatte der Träger womöglich durch diesen Schlauch eine feste Leinenkordel gefädelt, um sich seine Hose fest um die Hüften zu binden? Darüber darf man nicht reden, weil diese Kordel - mit Sicherheit im Torf verschwunden - also nicht "belegt" ist. Na, lassen wir die Hose rutschen und gehen zurück zu unserem Hochwebstuhl.
Fachbildung am Hochwebstuhl
Der Hochwebstuhl arbeitet mit einem Trennstab und einem Litzenstab, an dem jeder zweite Kettfaden mit einer Schlinge (Litze) befestigt ist. Da der Webstuhl etwas schräg gegen die Wand gelehnt steht, hängen die mit Gewichten beschwerten Fäden zwar alle senkrecht nach unten, doch die freien Fäden werden vom Trennstab etwas angehoben, wenn der Litzenstab in Ruhestellung ist. Den Zwischenraum zwischen den beiden Fadengruppen nennt man das natürliche Fach. Wird der Litzenstab angehoben und in der Halterung nach vorne gelegt, dann ziehen die Litzen die hinteren Fäden zwischen den anderen hindurch nach vorn, so entsteht das künstliche Fach. Mit dem Fortschritt der Musterweberei in der Eisenzeit kamen weitere Litzenstäbe hinzu. So entstand das sogenannte Mehrschaftweben zur Bildung von sich wiederholenden Mustern mit so schönen Namen wie Gänseauge oder Rosengang.

Der blau karrierte Prachtmantel aus dem Thorsbergmoor ist als ganz besonderes Kunstwerk auf dem Hochwebstuhl entstanden: Er hat nicht nur das gewebte Band als Anfangskante, sondern ist rundum mit Brettchenbändern eingefasst, welche aber nicht angenäht sind, sondern gleichzeitig mit dem ganzen Stoffstück gewebt wurden. Darüber gibt es ein ausführliches Heft, (aus dem ich die obige Abbildung kopiert habe), herausgegeben vom Förderverein Textilmuseum Neumünster, wo viele braune Fetzen aus dem Moor so genau untersucht worden sind, dass sie sich als eine Art Königsmantel, in ehemals blau kariertem Köper gewebt, eingefasst mit naturweißen Brettchenborten herausstellten. Das breiteste der Bänder  wurde mit 178 Brettchen gewebt!
Rechts und links vom eigentlichen Stoff des Mantels hingen also am Webstuhl die Brettchenbündel herunter und alles wurde gleichzeitg zusammen gewebt. Man hat berechnet, dass das Spinnen des Garns und das Weben des Mantels für 2 Leute mindestens 2 Jahre Arbeit erforderte.
Noch ein Tipp, besonders für interessierte Brettchenweber: Thorsbergsilber

Hier noch ein technischer Hinweis: Das Anschlagen der Webe von unten nach oben - oder hinter den Brettchen am fernen Teil, - ist wesentlich anstrengender, als wenn man von oben nach unten oder auf sich selbst zu schlägt, also vor den Brettchen arbeitet. Da die Ränder des Thorsbergmantels offenbar zunächst auch zum Vorbild genommen wurden, wie man mit Brettchen webt, waren die meisten Brettchenweberinnen aus dem Wikingerverein Oppin Skjold in Schleswig Anfangs der 1980iger Jahre fleißig dabei, von sich weg anzuschlagen. Ich habe das auch so gemacht, konnte mich aber nie recht daran gewöhnen und ließ dann meine Bandweberei jahrelang liegen. Als ich sie wieder zur Hand nahm, kam mir die Webrichtung so verkehrt vor, dass ich es ratz-fatz anders herum probierte, also von mir weg Weben und auf mich zu Anschlagen - und siehe da, es ging, es war einfacher und leichter.
Lass dich nicht beirren, wenn du auf Bildern die Leute anders herum weben siehst, es gibt kein RICHTIG und FALSCH! Körpergerecht und kräftesparend sollte man es machen.


weiter: 2 Möglichkeiten, ein Band zu weben

zurück zur Startseite