Das Anfangsband wurde mit dem Kamm oder mit Brettchen
gewebt, beides kam vor. Außerdem gab es noch eine Methode, die
Anfangskante zu flechten. Das
war regional verschieden.
Solange der Hochwebstuhl in den Haushalten stand, war das Bandweben
eine selbstverständliche Verrichtung, die alle kannten. Und als er
schon längst bei uns verschwunden war, und die mechanischen Bandmühlen
bereits begannen, den Markt zu erobern, kam in Schleswig-Holstein immer noch der
Bauchladenmann auf die Dörfer und verkaufte "Sidenband un Wevkanten",
das maschinelle (Kunst)Seidenband und die traditionellen
Webkantenbänder aus Baumwolle und Wolle.
Die Webkante wurde am Tuchbaum oder Warenbaum, dem oberen
Querbalken des Webstuhles fest angenäht, so dass die langen Kettfäden
schön gleichmäßig senkrecht herunter hingen. Gruppenweise wurden sie
mit den Gewichten beschwert. Das Webstück konnte viel länger
werden, als der
Webstuhl hoch war, man hatte ja unten den aufgewickelten Garnvorrat.
Oben am Warenbaum war eine Kurbelwelle mit
Stopper
angebracht, deutlich zu sehen auf dem griechischen Vasenbild oben
rechts. Hatte man
ein Stück fertig gewebt, wurde es hier aufgewickelt, weshalb der obere Querbalken auch Warenbaum genannt wird.
Man erkennt bei vielen Webstücken an den sich in der Mitte kreuzenden
Schussfäden, dass
sie von zwei Leuten im Team hergestellt worden sind, die mit
ihren Spulen (Schiffchen) jeweils von beiden Seiten aufeinander zu
gingen, dort die Fäden kreuzten und wieder zurück zu ihrem Anfang
wanderten,-
oder
auch weiter gingen bis zum anderen Ende. Das ist ein bisschen unklar
ausgedrückt beim Herrn Professor Schlabow. Aber aus meiner schwedischen
Beschreibung lese ich die erste Version heraus, vielleicht kommt ja
beides vor. Jedenfalls sollen die
beiden dabei auch gesungen haben, was ich mir sehr gut vorstellen kann.
Auf
dem griechischen Vasenbild oben sind die Weberinnen übrigens nicht im
Takt,
die eine
ist gerade mit Anschlagen beschäftigt, während die andere ihr die Spule
unter die Nase hält.
So ging es bestimmt nicht. Sicher wollte der Maler zwei
verschiedene Vorgänge
gleichzeitig auf
einem Bild darstellen.
Dieser Webstuhl war zwar nicht geeignet für das, was wir heute unter
Meterware
verstehen, aber man konnte durchaus einen ganzen Satz von 12 Handtüchern,
natürlich aus Leinen, auf einmal darauf weben. Ja, die Alten konnten
das. Sie konnten auch so fein und fest spinnen, dass man sowohl feste
Bänder
als auch feine Tücher mit dem Garn herstellen konnte. Für
Archäologen,
die gerne
Rekonstruktionen ihrer Fundstücke machen lassen würden, ist es heute
fast
unmöglich, Leute zu finden, die das Spinnen mit der Hand so gut
verstehen, wie die Menschen damals.
Zu Anfang war das Ziel der Weber offensichtlich, Tierfelle
nachzumachen, die man als Kleidung gewöhnt war. So gibt es Funde
von Mänteln
und Mützen, bei denen nachträglich einzelne kurze Fäden oder
Fadenbündel in das
fertige
Gewebe eingeknüpft worden sind, die als Zotteln herunterhingen. Man machte
sich viel Mühe damit, bei einem Mantel zählten Forscher an die 20 000
Zotteln.
In der
Bronzezeit
hatte man entdeckt, dass die auf dem Hochwebstuhl gewebten
wollenen
Tuche dichter und wärmer wurden, wenn sie anschließend gewalkt
wurden. In mit Wasser angetriebenen Stampfmühlen wurden die
Wollstoffe gewalkt.
Zu Beginn der Eisenzeit jedoch hatten die Menschen die Stärken des
Webens als etwas Eigenständiges entdeckt, feine und feinste Gewebe entstanden, nachgemachte Tierfelle waren
nicht mehr das Ziel. Das Weben als solches wurde zu einer hohen Kunst
entwickelt, so dass man nur staunen kann.
Leider kann man aus den Moorfunden nicht alles ablesen, was
gewebt wurde, denn nur die tierischen Wollfasern sind erhalten
geblieben.
Pflanzenfasern, wie Lein oder Hanf, sind in der Moorsäure verrottet,
spurlos verschwunden - und damit nicht
belegt, Spekulationen darüber sind als unwissenschaftlich tabu.
Bei dem berühmten Thorsbergfund aus der Eisenzeit um 300 n.Chr., der
1859 in Angeln aus einem Moor
geborgen wurde, befand sich zum Beispiel eine wollene Männerhose, die
hatte
einen Bund
aus einem schlauchförmig gewebten Brettchenband. Wozu
schlauchförmig? Hatte der Träger womöglich durch diesen Schlauch eine
feste Leinenkordel gefädelt, um sich seine Hose fest um die Hüften zu
binden? Darüber
darf man nicht reden, weil diese Kordel - mit Sicherheit im
Torf
verschwunden - also nicht "belegt" ist. Na, lassen wir die Hose
rutschen
und gehen zurück zu unserem Hochwebstuhl.
Der Hochwebstuhl arbeitet mit einem Trennstab und einem Litzenstab, an
dem jeder zweite Kettfaden mit einer Schlinge (Litze) befestigt ist. Da
der Webstuhl etwas schräg gegen die Wand gelehnt steht, hängen die mit
Gewichten beschwerten Fäden zwar alle senkrecht nach unten, doch die
freien Fäden werden vom Trennstab etwas angehoben, wenn der Litzenstab
in Ruhestellung ist. Den Zwischenraum zwischen den beiden Fadengruppen nennt man das natürliche Fach. Wird der
Litzenstab angehoben und in der Halterung nach vorne gelegt,
dann ziehen die
Litzen die hinteren Fäden zwischen den anderen hindurch nach vorn,
so
entsteht das künstliche Fach. Mit dem Fortschritt der Musterweberei in
der
Eisenzeit kamen weitere Litzenstäbe hinzu. So entstand
das sogenannte Mehrschaftweben zur Bildung von sich wiederholenden
Mustern mit so schönen Namen wie Gänseauge oder Rosengang.
Der blau karrierte
Prachtmantel aus dem
Thorsbergmoor ist als ganz
besonderes
Kunstwerk auf dem Hochwebstuhl entstanden: Er hat nicht nur das gewebte
Band als Anfangskante, sondern ist rundum mit Brettchenbändern
eingefasst, welche aber nicht angenäht sind, sondern gleichzeitig mit
dem ganzen Stoffstück gewebt wurden. Darüber gibt es ein ausführliches
Heft, (aus dem ich die obige Abbildung kopiert habe), herausgegeben vom
Förderverein Textilmuseum Neumünster, wo viele braune Fetzen aus
dem Moor so genau untersucht worden sind, dass sie sich als eine Art
Königsmantel,
in ehemals blau kariertem Köper gewebt, eingefasst mit naturweißen
Brettchenborten herausstellten. Das breiteste der Bänder wurde
mit 178
Brettchen gewebt!
Rechts und links vom eigentlichen Stoff des Mantels hingen also am
Webstuhl die Brettchenbündel herunter und alles wurde gleichzeitg
zusammen gewebt. Man hat berechnet, dass das Spinnen des Garns und das
Weben des Mantels für 2 Leute mindestens 2 Jahre Arbeit erforderte.
Noch ein Tipp, besonders für interessierte Brettchenweber:
Thorsbergsilber
Hier noch ein technischer Hinweis: Das Anschlagen der Webe von unten
nach oben - oder hinter den Brettchen am fernen Teil, - ist wesentlich
anstrengender, als wenn man von oben nach unten oder auf sich selbst zu
schlägt, also vor den Brettchen arbeitet. Da die Ränder
des Thorsbergmantels offenbar zunächst auch zum Vorbild genommen
wurden, wie man
mit
Brettchen webt, waren die meisten Brettchenweberinnen aus dem
Wikingerverein Oppin Skjold in Schleswig Anfangs der 1980iger Jahre
fleißig dabei, von sich weg anzuschlagen. Ich habe das auch so gemacht,
konnte mich aber nie recht daran
gewöhnen und ließ dann meine Bandweberei jahrelang liegen. Als ich
sie wieder zur Hand nahm, kam mir die Webrichtung so verkehrt vor, dass
ich es ratz-fatz anders herum probierte, also von mir weg Weben und auf
mich zu Anschlagen - und siehe da, es ging, es war einfacher und
leichter.
Lass dich nicht beirren, wenn du auf Bildern die Leute anders
herum weben siehst, es gibt kein RICHTIG und FALSCH! Körpergerecht und
kräftesparend sollte
man es machen.