Gewebte Bänder von und bei Anneliese Bläse
7 Musterfäden

IV. Bandweben, 2 Möglichkeiten

Zitat aus einem Fachaufsatz über Webkunst im alten Ostpreußen, veröffentlicht von der Landsmannschaft Ostpreußen 1984, als Beispiel für viele:
Sehr beliebt war früher auch die Brettchenweberei, die ebenfalls nach Nordeuropa weist und auf einer sehr hohen volkskünstlerischen Stufe stand. Vor allem im nordöstlichen Ostpreußen webte man früher auf solchen geschnitzten hölzernen Brettchen schmale, reich gemusterte Schürzenbänder. (Zitat Ende)

Dieser kurze Text enthält 2 grundlegende Fehler, die zeigen, dass der Verfasser keine Ahnung hatte, wovon er schrieb. Du magst mich für kleinlich halten,dass ich mich so breit darüber auslasse, aber die Beschäftigung mit vielen Fäden hat mich gelehrt, dass gewisse Dinge nur laufen, wenn man eine bestimmte Ordnung einhält. Häufige Fragen von Webfreunden oder solchen, die es werden wollen, zeigen die große Verwirrung, welche durch unsachgemäße Beschreibungen und Verwendung falscher Begriffe durch angebliche Fachleute angerichtet wurde und ständig noch wird:

1. Hier wird der Ausdruck "Brettchenweberei" für die Kammweberei verwendet,
 denn Webebrettchen waren nie geschnitzt, sie müssen so glatt wie möglich sein, sonst laufen sie nicht.


2. Mit geschnitzten Brettchen können nur die Wekekämme, auch Gatter, oder Gatterkämme, gemeint sein.
Damit wurden in Ostpreußen die Jostenbänder gewebt.
Jousta ist litauisch und heißt Gürtel, das waren sie auch, - keine Schürzenbänder.

3. In Schleswig-Holstein heißt der Webekamm auf Plattdeutsch tatsächlich "dat Brett", weil er ja meist aus einem einzigen Stück Holz hergestellt wurde.
Aber er heißt nicht Brettchen,
und wir weben auch keine Bändchen, wie es bei meinem letzten Auftritt im Textilmuseum Neumünster in der Einladung stand.
Die Interessierten dachten sofort "Freundschaftsbändchen" und gingen deshalb in die anderen angebotenen workshops.
Als Alles vorbei war, standen sie an meinem Tisch und staunten und quakten:"Hätte ich das gewusst, wäre ich zu Ihnen gekommen."
Das war sehr erhebend für mich.

Also:
Der Verfasser jenes Artikels
kannte weder die Verwendung noch die landesübliche Bezeichnung für die Bänder.
Entweder war er kein Ostpreuße, dann hat er schlecht recherchiert, und die Herausgeber haben ihm nicht auf die Sprünge geholfen.
Oder er verhielt sich so, wie die berühmte Margarethe Lehmann-Filhes in ihrem Buch "Über Brettchenweberei" zwischen den Zeilen ihren Ehemann,
den Archäologen Filhés und seine Kollegen
beschreibt:
Kleine Dinge sind für große Männer unwichtig, sie fühlen sich über Handarbeiten erhaben, belächeln die Frauen ob ihrer Wichtigtuerei wegen Nichtigkeiten,
sagen beschwichtigend ja, ja - und gucken nur von sehr weit oben herab und somit gar nicht richtig hin.


Deshalb habe ich diese beiden völlig verschiedenen Webtechniken hier genau erklärt.
Es gibt natürlich auch noch andere Webarten und Techniken. Einige findest du unter

Besondere Bandwebtechniken


1. Brettchenweben, auch Plättchenweben oder Schnurweben


Margarete Lehmann-Filhes hat 1902 mit der Veröffentlichung ihres Büchleins "Über Brettchenweben" diese Webmethode wieder in den Blick der Wissenschaft gerückt, nachdem sie in Europa nur noch ein verborgenes Dasein am Rande - nämlich in so exotischen Gegenden wie auf dem Balkan, Lappland, Island oder Ungarn - geführt hat. Es ist ihr Verdienst, "die Männer", in diesem Falle ihren Ehemann und seine Freunde, alles Archäologen und Forscher, immer wieder auf diese kleinen Bändchen hinzuweisen als wichtigen, wenn auch
unscheinbaren, Bestandteil der alten Kulturen. Als anständige Frau ihrer Zeit konnte sie ja nicht selbst mit auf Expeditionen fahren, Sie erinnerte sie daran und bat ständig darum, ihr von den Reisen Bänder mitzubringen. So kam sie zu einer schönen Sammlung, die sie genau studierte und mit Hilfe von isländischen und anderen Freunden herausfand, wie die Bändchen gewebt ware. Das beschrieb sie dann in ihrem Büchlein, welches bis heute das Grundwerk zu diesem Thema ist und immer noch zitiert wird. Vor einigen Jahren sah ich ihr Buch auf dem Schriftentisch im Nordiska Museum in Stockholm in Schweden, natürlich in schwedischen Übersetzung. Vielleicht ist es da jetzt noch zu bekommen. Hier in Deutschland ist es längst vergriffen - ja, als ich es mir von der Stadtbücherei kommen ließ, durfte ich das "echt alte", kostbare Exemplar nicht einmal mit nach Hause nehmen, sondern musste es dort lesen.
 
Margarete, geborene Lehmann, verheiratete Filhes hat bei all ihrer Forscherei nur hölzerne Webebrettchen zu sehen bekommen, deshalb nannte sie die neue alte Technik, für die es in Deutschland nicht einmal mehr einen Namen gab "Brettchenweben". Inzwischen weiß man, dass es Webeplättchen aus allerlei verschiedenen Materialien gegeben hat, zum Beispiel Knochen, Elchgeweih, ja
sogar hart getrocknetes Leder. Auf dem Balkan weben die Männer mit gebrauchten Spielkarten, die sie sich zurecht schneiden. Ein altes Spiel hält gerade noch ein Band aus, sagt man. Wenn man heute neue Brettchen oder Plättchen kaufen will, sind sie häufig aus einer steifen geölten Pappe, die mich sehr an die Isolierpappe in alten Radios erinnert. Aber für den Anfang geht es auch mit quadratischen Bierdeckeln, die man im ganzen Block unter die Bohrmaschine legt, damit die Löcher schön gleichmäßig werden.Brettchenweben

Jedes dieser Brettchen hat 4 Löcher. Wenn ein Brettchen gedreht wird, bildet sich aus den eingefädelten Fäden eine gezwirnte Schnur. Das Webfach wird durch Drehen aller Brettchen gebildet, Eine ganze Umdrehung der Brettchen bildet 4 mal ein Fach. Der Schussfaden verbindet die Schnüre aller Brettchen fest miteinander, so entsteht das Band.
Seine Struktur sieht
anders aus, als beim Kammband. Je nachdem, wie die Fäden durch die Brettchen gezogen wurden und wie oft sie in die gleiche Richtung gedreht wurden, wirkt sie wie rechte Strickmaschen oder wie ein Köpergewebe. In der Literatur ist viel von Köper die Rede, dabi müssen wir immer im Auge behalten, dass es kein Köper ist, sondern  nur so ähnlich aussieht.
 

Brettchengewebestruktur

Brettchengewebestruktur

kann wie gestrickte rechte Maschen aussehen, es gibt aber
auch  andere Strukturen.



Über das Brettchenweben gibt es viele Veröffentlichungen, siehe Links. Es wird gewöhnlich im Vergleich mit der Kammweberei
als die schwierigere Art (und deshalb edlere Handarbeit) dargestellt. Aus eigener Erfahrung möchte ich aber behaupten, schwieriger ist wohl das Einfädeln und die körperliche Anstrengung beim Weben. Hat man die Kette aber erst einmal vorbereitet, kann man bei vielen Mustern einfach flott darauf los arbeiten.  
Die Gelesenen Muster beim Kammband verlangen dagegen während des ganzen Webvorganges eine gleich bleibende Konzentration. Ich beschreibe die Brettchenweberei hier nur kurz und konzentriere mich dann auf das Gebiet, welches ich am besten beherrsche: die Bandweberei mit dem Webkamm, und besonders die Gelesenen Muster des Ostseeraumes.
Webebrettchen
Webebrettchen haben ganz verschiedene Lochzahlen, auch dreieckige, hier nicht abgebildet. Das quadratische Brettchen ganz rechts mit dem Loch in der Mitte dient dazu, die einzelnen Schnüre zu verstärken, indem noch ein dickerer Faden unsichtbar mit eingearbeitet wird. Damit webt man zum Beispiel Pferdezaumzeug, auf dem Balkan, früher auch in Finnland.
Die Muster für sechs Löcher sind feiner und komplizierter als die für vier. Man findet sie häufig auf Abbildungen von feinen Damen des Mittelalters, zum Beispiel in der Manesseschen Liederhandschrift oder in frommen Buchmalereien.
Der Gürtel des Dänenkönigs Eric ist sogar mit 8-Loch-Brettchen gewebt.

      
 Die Umkehrstellen  Umkehrstellen    
Das Muster dieses blau-weiß-schwarzen Bandes wird einmal bestimmt durch die Anordnung der Fäden, aber auch durch die Richtung, in welche die Brettchen gedreht werden. Dreht man sie eine Zeit lang immer in eine Richtung, werden ja nicht nur die Fäden welche man verwebt, vor den Brettchen zu Schnüren eingedreht, sondern am fernen Ende hinter den Brettchen geschieht dasselbe. Irgendwann sind sie dort so stark eingedreht, dass man keinen Spielraum zum Weben mehr mehr hat. Ändert man die Drehrichtung der Brettchen, wird diese Verdrehung wieder aufgehoben. Dadurch entsteht aber eine deutlich erkennbare Umkehrstelle, von der an das gleiche Muster spiegelverkehrt verläuft. Man kann das Muster bewusst gestalten, indem man öfter die Drehrichtung ändert, als es eigentlich nötig ist. War zuvor ein Winkel zu sehen, der sich von mir weg öffnete, so wird er sich jetzt schließen. So entstehen die "Augen", und auch die Teile dazwischen. Oben habe ich die Umkehrstellen angezeigt: Großes Auge, längerer Abstand - kleines Auge kürzerer Abstand.
 
Das Buch "Der Zauber des Brettchenwebens" von Otfried Staudigel
hatte auf mich die zauberhafte Wirkung, dass ich einige Dinge endlich begriffen habe, aus denen ich früher nach anderen Anweisungen einfach nicht schlau geworden bin. So weiss ich jetzt endlich, wie ich leicht und schnell man eine Kette schären und dabei gleichzeitig die Brettchen einfädeln kann. Ich besitze zwar kein Schärbrett, aber einen Inkle Loom. "Deit dat sölbe!" sagt man auf Platt. Und nach Anweisung von Herrn Staudigel gelangen mir auch schon einige Muster aus der Sippschaft des "Laufenden Hundes", (beliebt bei den alten Griechen), bei welchen  man die Brettchen gruppenweise in verschiedene Richtungen drehen muss. Dazu gehören, siehe unten, der Henkel des grauen Beutelchens mit der braun-grünen Ranke auf dem großen Bild, sowie weiter unten das Gitarrenband und das Gongband mit der Feuerranke. Danke, Herr Staudigel!
Zu Otfried Staudigel, Brettchenbandweber, kommt man per E-mail:
staudigel@brettchenweben.de

Blick in meine Brettchenwerkstatt
Schottischer Inkle Loom

Brettchenweben mag ich am liebsten auf meinem kleinen Schottischen Bandwebstuhl, dem Inkle Loom. Man kann darauf die Kette schären und dann gleich darauf los weben. Näheres unter Werkzeuge - Link -
Meine Brettchen hat mir mein Mann aus Brasilianischem Buchsbaum gemacht, ganz dünnes Holz, ganz fein geschliffen, sie laufen wunderbar! Die großen "Sicherheitsnadeln" hat er mir aus rostfreiem Stahldraht gebogen, in verschiedenen Größen für verschiedene Brettchenzahlen. Die Idee, die Brettchen auf diese Weise vor dem Durcheinanderfallen zu sichern, ist sehr praktisch. Sie stammt von der schwedischen Bandweberin Sonja Berlin Englund aus ihrem Buch «Brickvävning - så in i Norden» (Text Schwedisch).
Auch das vorne liegende Schiffchen mit dem blauen Garn hat mein Mann aus Brasilianischem Buchsbaum gemacht. Diese Form wird in Telemark, in Norwegen verwendet, gewöhnlich mit einer Einlage aus Eisen oder Messing. Das Schiffchen, das in der aufgespannten Kette steckt, gehört zum Inkle Loom. Es eignet sich nicht für Lesemuster.
Seit ich das Buch von Otfried Staudigel «Der Zauber des Brettchenwebens» (Text Deutsch und Englisch) besitze, habe ich mich sogar an das alte Muster der Griechen und des Balkans, den «Laufenden Hund» und seine Verwandten gewagt. Die braun-grüne Ranke auf dem Taschenhenkel und das Band auf dem Inkle Loom gehören dazu.

gitarrenband

Für Sohn Martin webe ich Griffbänder für die Gongs, die er schmiedet, hier ein Beispiel:

Gongband Grünes Auge

Hier unten mein neuestes, ein Band für Martins größten Gong

Feuerranke

 Link zu Martin


2. Kettripsweben


  2b. Kettripsband mit dem Webekamm
auch Bandwebe, Gitter, Gatter, auf Pommersch Platt einfach „dat Brett“ genannt.
Seit ich mich mit dieser Website beschäftige, bemühe ich mich, Webekamm zu sagen, weil der Komputer sonst falsche Assoziationen entwickelt, er meint, ich weiß nicht wie man webcam schreibt. Webkamm - Webekamm , beides ist gebräuchlich gewesen, abhängig von der Landschaft
Man will uns Kammwebern immer einreden, dass die Brettchenweberei die Ältere und deshalb Fürnehmere ist unter den beiden Künsten. Niemand weiß, wann der Webekamm erfunden worden ist. Aber immerhin hat man Stücke von zerbrochenen Webekämmen bereits aus der Römerzeit gefunden, das heißt sie sind mindestens 2000 Jahre alt, also doppelt so alt wie die Wikinger, die sonst immer für alles herhalten müssen.
Alter Kamm aus Angeln
Der Webekamm wird so genannt, weil er Zähne hat, mit denen man zum Beispiel die Kette sehr schön kämmen kann, - aber nur, wenn sie eingefädelt ist, was etwas Mühe macht. Der Kamm ist nämlich kein Kamm sondern ein Gatter oder Gitter, weil er oben und unten geschlossen ist. In jeden Zahn des Kammes ist ein Loch gebohrt - aua, armer Kamm!
Die Löcher des Kammes ersetzen den alten Litzenstab, das heißt, die Kettfäden, welche früher durch Litzen (Garnschlingen) liefen, sind nun in die Löcher eingezogen und die freien Fäden in die Schlitze zwischen den Zähnen. Damit ist die Kette auch in 2 Gruppen aufgeteilt, eine feste und eine bewegliche, die sich beim Weben kreuzen.
Das Webefach, der dreieckige Raum zwischen den beiden Fadengruppen, wechselt man durch Heben und Senken des Kammes. Die Fäden, welche durch die Löcher laufen, werden auf und ab bewegt, und jedesmal, wenn sie ganz unten oder ganz oben sind, wird das Schiffchen mit dem Schussfaden durch das „Fach“ geführt und fest angeschlagen. Wird das Fach gewechselt, bilden die Fäden ein neues Kreuz und der Schussfaden kann nicht mehr zurück: Diese geniale Erfindung der Menschheit wurde schon vor mehr als 5 000 Jahren gemacht.

Unten auf dem Bild sieht man das künstliche Fach, der Kamm
ist hier angehoben und das Schiffchen ins Fach eingeführt. Hängt der Kamm unten, sind die Lochfäden auch unten, hat man das natürliche Fach.
Das entstehende Gewebe hat eine Leinenbindung: die Fäden laufen in jede Richtung immer 1 drunter, 1 drüber. Allerdings,
beim Bandweben wird der Schussfaden so fest angezogen, dass er nicht gar mehr zu sehen ist. Nur die Kettfäden sind sichtbar und sie bestimmen das Muster. Das Gewebe hat Querrippen, je dicker das Schussgarn, um so deutlicher zu sehen. Darum heißt es es Kettrips.

Achtung! Beim großen Webstuhl hat man zum Anschlagen einen Kamm, aber nie beim Bandweben!
Da macht man es mit dem Schiffchen
oder einem Holzschwert, der Kamm spreizt die Fäden, das soll er nicht.

                                fernes Ende, an der Wand befestigt 
Weben mit dem Kamm
  Arbeitsseite, am Gürtel befestig                                    

Hier zwei Beispiele:

Kettripsmuster

Schlicht Weben oder Schussband: das bunte Muster hier entstand nur durch die Anordnung der Kettfäden


Gelesenes Muster
 Band mit gelesenem Muster im Stil des Ostseeraumes, 21 rote Musterfäden , 42 weiße Grundfäden



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